Digitale Gewalt

Sexualisierte Gewalt hat viele Gesichter

Digitale Gewalt ist mittlerweile zu einem Alltagsphänomen geworden. Die zunehmende Digitalisierung von Kommunikationsformen hat Einfluss auf soziale Interaktion und ermöglicht neue Wege der Gewaltausübungen. Digitale Gewalt ist weit verbreitet und eng mit anderen Gewaltformen außerhalb des digitalen Raumes verknüpft.

Digitale Gewalt ist die Fortsetzung analoger Gewalt im digitalen Raum.

In einem UN-Sonderbericht zur Gewalt gegen Frauen (2018)2 wird geschätzt, dass 23% aller Frauen bereits mindestens einmal in ihrem Leben online Belästigungen erfahren haben. Jede zehnte Frau ab 15 Jahren hat eine Form digitaler Gewalt erlebt. Für Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigung, People of Colour oder queere, trans*, inter* und nicht binäre Menschen nehmen die Zahl der Angriffe oft noch zu.  In einer Umfrage von Plan international1 gaben 42% der betroffenen Mädchen, die sich selbst als LGBTIQ+ identifizieren, an, dass sie speziell aus diesem Grund belästigt wurden.

Es ist ein Trugschluss, dass Gewalt über moderne Kommunikationswege weniger bedrohlich, weniger unmittelbar sowie weniger folgenschwer ist. Oft führt gerade dieses Fehldenken dazu, dass akute Bedrohungen und begangene Straftaten verharmlost werden.

Was ist digitale Gewalt?

Der bff: Bundesverband der Frauennotrufe und Frauenfachberatungsstellen in Deutschland hat folgende Definition zu Digitaler Gewalt erarbeitet:

„Digitale Gewalt ist ein Oberbegriff für Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel und digitaler Medien (Handy, Apps, Internetanwendungen, Mails etc.) bedienen und/oder geschlechtsspezifische Gewalt, die im digitalen Raum, z.B. auf Online-Portalen oder sozialen Plattformen stattfindet. Digitale Gewalt funktioniert nicht getrennt von ‚analoger Gewalt‘, sie stellt meist eine Ergänzung oder Verstärkung von Gewaltverhältnissen und -dynamiken dar.“

Digitale Gewalt ist geschlechtsspezifische Gewalt.

Digitale Gewalt umfasst demnach verschiedene Formen der Belästigung, Diskriminierung und Nötigung, welche mithilfe von elektronischen Kommunikationsmitteln über soziale Netzwerke, Messenger Dienste oder Chaträume verübt werden. In der Regel erfüllen sie diverse bestehende Straftatbestände, gegen die Sie juristisch in Form einer Anzeige vorgehen können.

Die Angriffsformen sind erschreckend vielfältig. Beispiele für Digitale Gewalt können sein:

  • Das Versenden von belästigenden Nachrichten oder Bilddateien mit oder ohne pornographischen Inhalten.
  • Das bewusste Streuen falscher Informationen über verschiedenste digitale Kanäle.
  • Identitätsdiebstahl/ Identitätsmissbrauch: Die Aneignung der digitalen Identität einer Person, um diese zu missbrauchen, bspw. durch Versenden von Nachrichten in Chats oder das Bestellen von Dienstleistungen oder Waren unter falschem Namen.
  • Die Weitergabe von persönlichen Foto- oder Videodateien ohne Einverständnis.
  • Das Fotografieren und Filmen von Personen oder deren Wohnräumen ohne deren Einwilligung oder Kenntnis.
  • Das Ausspionieren oder Abfangen von Daten oder Passwörtern, oft mithilfe von Stalkerware.
  • Die digitale Überwachung und Ortung einer Person.
  • Das Verbreiten privater Informationen durch digitale Medien am Arbeits- oder Ausbildungsplatz.
  • Körperliche und sexuelle Übergriffe mit dem Ziel, Fotos und Filmaufnahmen anzufertigen und die Betroffene auch nach der Tat zu demütigen und zu kontrollieren.
  • Drohungen, persönliche oder intime Bilddateien zu veröffentlichen oder weiterzugeben.

Wo tritt digitale Gewalt auf?

Digitale Gewalt kann in verschiedenen Konstellationen und Orten auftreten.

Mittlerweile vermehrt tritt digitale Gewalt im öffentlichen digitalen Raum auf, in welchem Täter*innen anonym und häufig organisiert agieren. Dabei nutzen sie die Anonymität des Netzes. Cybersexismus, Hatespeeches und andere Formen der Gewalt treffen im öffentlichen digitalen Raum meist Menschen, die einer Minderheit angehören. Migrant*innen, Menschen mit Fluchterfahrung oder Behinderungen, BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) und LGBTIQ* sind besonders von digitaler Gewalt betroffen, aber auch politisch engagierte und sich für FLINTA*-Rechte einsetzende Personen werden häufig zur Zielscheibe.

Cybersexismus beschreibt patriarchale Strukturen im digitalen Raum und bildet eine spezielle Form der geschlechtsbasierten Gewalt ab.

Auch in sozialen Beziehungen und dem sozialen Nahfeld tritt digitale Gewalt auf – häufig handelt es sich bei den Täter*innen um (Ex-)Partner*innen, Arbeitskolleg*innen oder Mitschüler*innen. Sie nutzen technische Möglichkeiten, um Betroffene zu kontrollieren, zu erpressen oder zu diskriminieren. Digitale Gewalt im sozialen Umfeld kann begleitet werden durch andere Formen von Stalking, verbalen Bedrohungen, körperlicher und sexualisierter Gewalt.

Digitale Gewalt ist ein Instrument struktureller Unterdrückung.

Folgen für Betroffene

Die Folgen digitaler Gewalt ähneln denen der analogen Gewaltformen.

Neben einer hohen emotionalen Belastung, Stress und Angst, sind Depressionen und Panikattacken häufige psychische Folgen, ebenso anhaltende Schuld- und Schamgefühle sowie Gefühle der Hilflosigkeit. Digitale Gewalt kann darüber hinaus dazu führen, dass Betroffene Sicherheits- und Vertrauensgefühle verlieren und in ihrem Selbstwertgefühl erschüttert werden – Umzüge, Jobwechsel und Isolation sind häufig die Folgen.

Digitalisierte Gewalt nimmt in erheblichem Maße Einfluss auf das Wohlbefinden und die gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen. Einige ziehen sich komplett aus dem digitalen Umfeld zurück, was persönliche und berufliche Einschränkungen zur Folge haben kann.

Was tun? / Wie helfen?

Wenn Sie selbst oder eine Ihnen nahestehende Person von digitaler Gewalt betroffen sind, dann können Sie sich jederzeit an die Mitarbeiterinnen des FRAUEN NOTRUF Hamburg wenden. Sie müssen mit Ihren Erfahrungen nicht alleine bleiben.

Die Mitarbeiterinnen des FRAUEN NOTRUF Hamburg können mit Ihnen gemeinsam besprechen, wie Sie weiter vorgehen können, welche Möglichkeiten zur Entlastung es für Sie gibt und was ein mögliches juristisches Vorgehen bedeuten würde.

Sorgen Sie für digitale Sicherheitseinstellungen auf Ihren mobilen Endgeräten. Erste Schritte zur digitalen Sicherheit können das Ändern von Passwörtern und das Sichern von Daten sein. Achten Sie außerdem darauf, dass Sie Ihren Standort in sozialen Netzwerken verbergen und Ihre GPS-Einstellungen auf Ihrem Smartphone entsprechend anpassen.

Wenn sie akut von digitaler Gewalt betroffen sind oder ein ungutes Gefühl haben, dass sich bspw. Stalkerware auf ihren mobilen Endgeräten befinden könnte, dann zögern Sie nicht, sich direkt an die Polizei zu wenden. Ebenso ist Patchwork eine geeignete Anlaufstelle, wenn Sie von digitaler Gewalt betroffen sind oder bspw. Cyberstalking befürchten.

Patchwork – Frauen für Frauen gegen Gewalt
Bahrenfelder Straße 255
22765 Hamburg

Telefon: 040 – 38 61 08 43
Fax: 040 – 380 38 660

E-Mail: info@patchwork-hamburg.org

www.patchwork-hamburg.org

1 Plan international (2020): Free to be online? – Erfahrungen von Mädchen und jungen Frauen mit digitaler Gewalt. Verfügbar unter: https://www.plan.de/fileadmin/website/05._Ueber_uns/Maedchenberichte/Maedchenbericht_2020/Free_to_be_online_report_englisch_FINAL.pdf und auf deutsch: https://www.plan.de/fileadmin/website/05._Ueber_uns/Presse/Welt-Maedchentag/Welt-Maedchentag_2020/Free_to_be_online_Report_Zusammenfassung_deutsch_FINAL.pdf

2 United Nations (2018): Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences on online violence against women and girls from a human rights perspective*. Verfügbar unter: https://www.ohchr.org/en/documents/thematic-reports/ahrc3847-report-special-rapporteur-violence-against-women-its-causes-and

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